CO₂-arme Baustoffe und nachhaltiges Bauen: Eine Revolution im Gange?

17.11.2025

CO₂-arme Baustoffe und nachhaltiges Bauen: Eine Revolution im Gange?
Der Immobiliensektor erzeugt 21% der weltweiten Treibhausgasemissionen. Im Jahr 2022 entfielen 34% der globalen Energienachfrage und 37% der energiebedingten CO₂-Emissionen auf Gebäude.

Die wichtigste Emissionsquelle stammt von den Baumaterialien, insbesondere Beton und Stahl. Allein Beton ist für rund 7,5% der weltweiten Emissionen verantwortlich, hauptsächlich aufgrund der Zementproduktion, seiner kohlenstoffintensivsten Komponente.


Beton in der Schweiz

Die Schweiz verbraucht etwa 1,3 m³ Beton pro Einwohner und Jahr, also mehr als doppelt so viel wie der europäische und weltweite Durchschnitt. Der Zement, Hauptbestandteil des Betons, verursacht 65% der Emissionen, die bei der Herstellung eines Kubikmeters Beton entstehen. Im Jahr 2019 machte Beton 82,3% der in der Schweiz verwendeten Baumaterialien aus. Diese hohe Abhängigkeit macht seinen CO₂-Fussabdruck mit den Klimazielen 2050 unvereinbar, trotz seiner zentralen Rolle im Sektor.

Über seinen CO₂-Fussabdruck hinaus verursacht Beton zunehmende Probleme im Zusammenhang mit der Gewinnung seiner Rohstoffe. Kalkstein, Ton und Gesteinskörnungen sind begrenzte Ressourcen, deren Verfügbarkeit mit der Intensivierung der Bautätigkeit abnimmt. In der Schweiz führt der Druck auf die Kiesgruben zu einer Verknappung der Ressourcen, zu Nutzungskonflikten sowie zu erheblichen Auswirkungen auf die Biodiversität.


Baustoffe mit niedrigem CO₂-Ausstoss

Baustoffe mit niedrigem CO₂-Ausstoss ermöglichen eine Reduktion der CO₂-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus der Gebäude. Sie weisen eine geringe graue Energie auf, da ihre Herstellung und ihr Transport weniger Energie erfordern und mehr erneuerbare Ressourcen einbeziehen. Sie enthalten häufig recycelte Materialien und sind selbst wiederverwertbar, was die Kreislaufwirtschaft fördert. Ihre Langlebigkeit reduziert die Häufigkeit von Erneuerungen, und ihre lokale Herkunft begrenzt die transportbedingten Emissionen. In der Schweiz ist ihre Nutzung entscheidend, um die Ziele der Klimaneutralität zu erreichen.

Eine grosse Auswahl ökologischer Materialien ist verfügbar, insbesondere:
  • Holz für die Tragstrukturen;
  • Stampflehm und gepresste Lehmziegel für die Wände;
  • Lehm und Kalk für die Oberflächen;
  • biobasierte Dämmstoffe wie Kalk-Hanfgemische, Schafwolle, Zellulose, Holzfasern, Stroh oder Gras.


Niedrigemissionsbeton: Strategien zur Emissionsreduktion

Mehrere Ansätze ermöglichen es, den CO₂-Fussabdruck von Beton zu verringern, während seine unverzichtbaren strukturellen Eigenschaften erhalten bleiben.

Reduktion des Zementgehalts:Die Integration von zementären Zusatzstoffen (Silicastaub, Flugasche, Hochofenschlacke, recyceltes Glasmehl) reduziert die notwendige Menge an Klinker, der die Hauptquelle der Emissionen darstellt. Die Verwendung dieser Zusatzstoffe ermöglicht eine Verringerung des CO₂-Fussabdrucks von Beton um rund 20%, bei gleichbleibenden mechanischen Eigenschaften.

Optimierung der Rezeptur und der Produktionskette:Die Zementdosierungen variieren stark zwischen den Herstellern, selbst für ähnliche Festigkeiten. Eine bessere Koordination zwischen den Akteuren (Hersteller, Ingenieure und Bauunternehmen) könnte die Zementmenge um bis zu 30% reduzieren, dank Formulierungen, die an die tatsächlichen Anforderungen der Bauwerke angepasst sind.

Wirtschaftliche Anreize:Betone mit niedrigem CO₂-Ausstoss sind in der Regel teurer und erfordern manchmal längere Umsetzungszeiten. Fördermechanismen oder Ausgleichssysteme sind notwendig, um ihre Nutzung trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen für die Unternehmen zu unterstützen.

Technologische Innovationen:Neue Lösungen verstärken das Dekarbonisierungspotenzial, wie der LC3-Zement (entwickelt an der EPFL), der den Klinkeranteil stark reduziert, oder der 3D-Druck von Beton, der weniger Material benötigt und optimierte Geometrien ermöglicht. Diese Innovationen eröffnen den Weg zu einer noch stärkeren Reduktion der Emissionen.


Materialien, die das Bauwesen verändern

Das Bauwesen befindet sich heute in einem tiefgreifenden Wandel, getragen von innovativen Materialien, die technische Leistungsfähigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft vereinen. Diese neuen Lösungen verändern die Art und Weise, wie Wohnbauten, Gewerbebauten und Infrastrukturen geplant werden, indem sie ökologischere, leichtere und klimafreundlichere Alternativen bieten.


TimberRoc: Holzbeton mit negativem CO₂-Fussabdruck

Aus Holzgranulat, Wasser und Zement hergestellt, ganz ohne petrochemische Zusatzstoffe oder synthetische Fasern –, stellt der TimberRoc-Beton einen wichtigen Fortschritt im Bereich biobasierter Materialien dar. Er wird im Werk vorgefertigt und kommt montagefertig auf die Baustelle.

Verwendung: Ideal für tragende Wände von Einfamilienhäusern, Mehrfamilienhäusern und Dienstleistungsgebäuden. TimberRoc vereint die Vorteile von CLT (Brettsperrholz) mit denen eines leistungsfähigen Leichtbetons: hervorragende Feuerbeständigkeit, ausgeprägte thermische Trägheit (bis zu 17 Std. Phasenverschiebung) und sehr gute Schallabsorption (αw = 0,7).


Hanf-Kalk-Block: ein isolierendes und regulierendes Material

Hergestellt aus Hanf, luftgelöschtem Dolomitkalk, Probiotika und Wasser, bindet dieses Material über seinen Lebenszyklus mehr CO₂, als es freisetzt, und gilt als vorbildlich hinsichtlich seiner Umweltbilanz.

Verwendung: Bestandteil der Gebäudehülle, kompatibel mit Holz-, Stahlbeton- oder Stahlkonstruktionen. Es eignet sich auch für die Dämmung von Dächern, Dachböden und abgehängten Decken, für Innenwände zur Temperatur- und Feuchtigkeitsregulierung sowie zur Verbesserung des thermischen und akustischen Komforts.


Holz-Lehm-Decke Remetter: eine Schweizer Alternative zu Stahlbeton

In der Schweiz entwickelt, kombinieren Remetter-Deckenelemente Massivholzträger mit einer Füllung aus gebranntem Ton. Trocken oder verschraubt montiert, passen sie perfekt in eine Kreislaufwirtschaft.

Verwendung: Sie ersetzen Stahlbetondecken dank drastischer CO₂-Reduktion, hervorragender Feuchteregulierung, hoher thermischer Trägheit und guter Schallabsorption durch den Lehm.


Gramitherm: die Grasdämmung mit negativem CO₂-Fussabdruck

Aus Grasfasern, recyceltem Jutegarn und synthetischen Bindefasern hergestellt, zeichnet sich Gramitherm durch seinen regenerativen Charakter aus: Gräser wachsen schnell und stammen oft aus Abfällen wie Strassenrändern oder Gärten.

Verwendung: Für Innen- und Aussendämmung geeignet, schützt es vor Kälte, reguliert die Feuchtigkeit, absorbiert Schall und weist eine Wärmeleitfähigkeit von 0,027 W/m·K bei 150 mm auf.


Brettsperrholz (CLT): die neue Generation des Holzbaus

CLT ist ein mehrschichtiger Plattenwerkstoff aus 3 bis 11 kreuzweise verleimten Holzlagen. Er ist nachhaltig, erneuerbar und sehr tragfähig und ermöglicht den Bau hoher oder komplexer Gebäude mit geringem ökologischem Fussabdruck.


Graphen: ein Material mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten

Graphen besteht aus einer einzigen Lage von Kohlenstoffatomen und ist extrem leitfähig, sehr leicht und äusserst stabil. Anwendungen reichen von Strukturverstärkungen über integrierte Heizsysteme bis hin zu verbesserten Batterien, intelligenten Beschichtungen und hochfesten Verbundstoffen.


Hanfbeton: leicht, isolierend und ökologisch

Eine Mischung aus Sand, Kalk und Hanffasern, erhältlich als Ziegel oder direkt vor Ort gegossen.
Verwendung: leichte, stark isolierende Steine, natürliche CO₂-Bindung beim Aushärten, ausgezeichnete thermische und akustische Regulation.


Transparenter Beton: ein Beton, der Licht durchlässt

Durch die Einbettung von Glasfasern leitet dieser Beton natürliches Licht weiter, ohne seine mechanische Festigkeit zu verlieren. Noch wenig verbreitet, ermöglicht er innovative Fassaden und Innenräume.

Verwendung: Duschwände, Treppen, lichtdurchlässige Fassaden, ästhetische Innenwände.


Dachziegel aus recyceltem Kunststoff: leicht und schnell zu montieren

Aus recyceltem Kunststoff gefertigt, sind diese Ziegel sehr leicht (bis zu 7× leichter als herkömmliche Ziegel), wetterbeständig, langlebig und transporteffizient.


Intelligentes Glas: eine Verglasung, die sich dem Licht anpasst

Elektrochromes Glas verändert seine Tönung durch eine geringe elektrische Spannung und den Transfer von Lithium-Ionen. Eine Software steuert die Anpassung je nach Aussenlicht.

Vorteile: geringerer Energieverbrauch, höherer Innenkomfort, automatische Blendungssteuerung.


Phasenwechselmaterialien (PCM): Wärme speichern und freisetzen

PCMs speichern Wärme beim Übergang in den flüssigen Zustand und geben sie beim Erstarren wieder ab. Sie ermöglichen bis zu 30 % weniger Kühlbedarf, stabilisieren die Innentemperatur und verbessern die Gesamtenergieeffizienz.


Gute Gründe für eine nachhaltige Renovation oder einen nachhaltigen Bau

Drei Hauptargumente rechtfertigen den Einsatz nachhaltiger Bauweisen:

Reduktion der Treibhausgasemissionen:Recycelte oder grauen-energiearme Materialien (Holz, Ziegel, ungebrannter Lehm) verursachen bei ihrer Herstellung weniger Emissionen. Die Nutzung lokaler Ressourcen reduziert ebenfalls die Transporte, und Holz speichert zusätzlich CO₂ über die Lebensdauer des Gebäudes.

Unterstützung der lokalen Wirtschaft:Investitionen in nachhaltiges Bauen stärken die regionalen Arbeitsplätze, insbesondere im Bereich der Renovation, der ein großes Marktpotenzial bietet. Sie tragen zudem zur Verringerung der Betriebskosten und zur besseren Wertstabilität der Gebäude bei.

Ressourcenschonung:Nachhaltiges Bauen optimiert den Einsatz von Ressourcen über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes (Planung, Bau, Betrieb, Renovation und Rückbau), was die Umweltbelastung reduziert und die Qualität des gebauten Umfelds verbessert.


Vorteile des nachhaltigen Bauens

  • Erhält und verbessert die städtebauliche Qualität.
  • Gewährleistet gesunde, sichere und komfortable Gebäude.
  • Sicherstellt nachhaltige Infrastrukturen und Dienstleistungen.
  • Stabilisiert und stärkt den Wert von Gebäuden und Infrastrukturen.
  • Verbessert die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Bau- und Immobiliensektors.
  • Reduziert die Kosten über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes.
  • Trägt zum Schutz der Natur und der Biodiversität bei.
  • Erhöht die Ressourceneffizienz.
  • Begrenzte Auswirkungen auf Boden, Wasser, Luft und Klima.
  • Fördert den sozialen Zusammenhalt.
  • Schafft die notwendigen Voraussetzungen für die Umsetzung der Energiestrategie und der Klimaziele.

Makroökonomischer Kontext

Nachhaltigkeit ist aus makroökonomischer Sicht vorteilhaft, da der Klimawandel einen zunehmenden Druck auf die Infrastrukturen und die physischen Vermögenswerte ausübt. Der Immobiliensektor ist diesen Auswirkungen besonders stark ausgesetzt.

Das Hauptproblem liegt im Anstieg der physischen Risiken, die den Gebäudebestand direkt betreffen. Extreme Temperaturen, starke Niederschläge, Überschwemmungen und Trockenperioden führen zu einer beschleunigten Alterung von Materialien und Strukturen. Dies äussert sich insbesondere in zunehmenden Rissbildungen, Wassereintritt, thermischen Verformungen und einer schnelleren Abnutzung der technischen Systeme der Gebäude.

Diese physischen Auswirkungen führen zu messbar höheren Kosten für Eigentümer und Betreiber:
  • häufigere Unterhaltskosten,
  • vorgezogene Renovationseingriffe,
  • notwendige strukturelle Verstärkungen in bestimmten Regionen,
  • und steigende Versicherungsprämien aufgrund der Zunahme von Schadensereignissen.

Vermögenswerte, die sich in Gebieten mit hoher Klimarisikoexposition befinden, können zudem einen Wertverlust erleiden, bedingt durch eine geringere Attraktivität, Nutzungsbeschränkungen oder höhere Betriebskosten. In diesem Kontext erhält die Reduktion der Betonnutzung eine besondere Bedeutung.


Schlussfolgerung

Die Einführung von Baustoffen mit niedrigem CO₂-Ausstoss und nachhaltigen Baumethoden schreitet aufgrund der Klimaziele, der regulatorischen Anforderungen und der Notwendigkeit, den Umweltfussabdruck des Gebäudebestands zu reduzieren, rasch voran. Dieser strukturelle Wandel verändert die Praxis des Sektors konkret und setzt neue technische Standards für die kommenden Jahre.


Quellen

nnbs.ch - Article
publication.vd.ch - Article
lutz-architectes.ch - Article
frilow.ch - Article
espacescontemporains.ch - Article
batiweb.com - Article

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